Dokumentkopf
Der
Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten
Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik,
Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere
Richter in der Rechtssache der klagenden Partei WIWE-Schutzverband zur
Förderung lauteren Wettbewerbs im In- und Ausland, *****, vertreten durch
Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei
M***** M*****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte
GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 33.000 EUR) und
Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche
Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als
Berufungsgericht vom 3. August 2017, GZ 4 R 79/17s-15, womit das
Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. März 2017, GZ 9 Cg 102/16t-8,
teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu
Recht erkannt:
Spruch
I. Die
außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Verbots
richtet, Produkte mit Zeolith und/oder Bentonit als „vegan“, „laktosefrei“,
„glutenfrei“ zu bewerben, zurückgewiesen.
II. Im
Übrigen wird der außerordentlichen Revision teilweise Folge gegeben.
Die
Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter
Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen und des bestätigten Teils insgesamt
zu lauten hat:
„Die
beklagte Partei ist schuldig, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr in
Österreich zu unterlassen
a) Produkte
mit Zeolith (Klinoptilolith) und/oder Bentonit, wie beispielsweise Zeolith
MED ® Detox-Pulver und/oder Zeolith MED ® Detox-Kapseln,
krankheitsbezogen zu bewerben, wie beispielsweise auf der Facebook-Seite der
beklagten Partei damit, dass ihre Naturkosmetik mit Vulkanmineralien bei
Hautsymptomen, wie zB Ekzemen, angewendet werden könne, oder, dass die Produkte
bei Arthrose für Mensch und Tier geeignet seien, oder ähnlichen
krankheitsbezogenen Angaben;
b) Produkte
mit Zeolith (Klinoptilolith) und/oder Bentonit mit gesundheitsbezogenen Angaben
zu bewerben, wenn dies verboten ist, wie beispielsweise mit den Worten 'zur
natürlichen Entgiftung', 'zur Entgiftung im gesundheitlichen Bereich' und 'zur
Herabsetzung krankheitserregender Faktoren'.
Die
klagende Partei wird ermächtigt, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses
Urteils den der Klage stattgebenden Teil des Urteilsspruchs und den Urteilskopf
samt vorangehender Überschrift 'Im Namen der Republik' auf Kosten der beklagten
Partei in einer Sonntags-Ausgabe der 'Neue Kronenzeitung', Ausgabe Österreich,
halbseitig in einem Kasten mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und
gesperrt sowie fettgedruckten Namen der Prozessparteien, im Übrigen in
Normallettern, wie sie für den redaktionellen Teil der betreffenden Zeitung
verwendet werden, veröffentlichen zu lassen.
Das
Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen,
Produkte mit dem Bestandteil Zeolith (Klinoptilolith) und/oder Bentonit, wie
beispielsweise Zeolith MED ® Detox-Pulver
und/oder Zeolith MED ® Detox-Kapseln,
irreführend als Medizinprodukt anzubieten und/oder zu vertreiben, wenn diese
tatsächlich nicht als Medizinprodukte zugelassen sind, sowie Produkte mit
Zeolith und/oder Bentonit als 'vegan', 'laktosefrei', 'glutenfrei', zu
bewerben, wenn ohnehin keine organischen Bestandteile beinhaltet sein können, sowie
das Veröffentlichungsmehrbegehren werden abgewiesen.
Die
klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.086,64 EUR
(darin 514,44 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu
ersetzen.“
III.
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit
5.039,83 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin
703,97 EUR USt und 816 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu
ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
Der
klagende Verein bezweckt unter anderem die Wahrung und Förderung der Interessen
der in Österreich tätigen Unternehmen und die Bekämpfung aller
Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs, insbesondere auch durch die
Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 14 UWG. Dem Verband gehören
ausschließlich Unternehmer und berufliche Interessenvertretungen an, und zwar
auch aus der Branche der Beklagten.
Die
Beklagte vertreibt im Internet unter anderem Produkte mit den Bestandteilen
Zeolith (Klinoptilolith) und Bentonit, insbesondere Zeolith MED ® Detox-Pulver
und Zeolith MED ® Detox-Kapseln sowie Bentonit MED ® Detox-Pulver
und Bentonit MED ® Detox-Kapseln.
Sie bietet ihre Produkte im Internetversand auch Kunden in Österreich an. Die
an die Endkunden verschickten Packungen der genannten Produkte enthalten
jeweils einen Hinweis auf die mitgelieferte Gebrauchsanweisung, die
auszugsweise lautet:
„NATÜRLICH
ENTGIFTEN MIT VULKANMINERALIEN
Allgemeine
Anwendungshinweise für Zeolith und Bentonit
Die
schadstoffbindenden Eigenschaften der Naturalmineralien Klinoptilolith-Zeolith
und Montmorillonit-Bentonit werden in den unterschiedlichsten Bereichen
genutzt, zB als Futterzusatz für Tiere, in der Landwirtschaft, Fischzucht,
Wasser-/Abwasserbehandlung, in der Nuklearindustrie, Raumfahrt sowie Medizin
und Kosmetik.
An
unser Zeolith und Bentonit haben wir die höchsten Qualitätsanforderungen:
Unsere Vulkanmineralien müssen bei der Wareneingangskontrolle den hohen
Qualitätskriterien des Europäischen Arzneibuches entsprechen. Um dies zu
gewährleisten, werden unsere Mineralien zum Entgiften in staatlich anerkannten
(akkreditierten) deutschen Prüflaboratorien auf ihre Sicherheit und Wirkung
geprüft sowie fortlaufend überwacht.
WELCHES
MINERAL?
Zeolith
- der klassische Entgiftungsspezialist
Das
Naturmineral Zeolith wird bereits seit der Antike zur natürlichen Entgiftung
eingesetzt und ist wegen seiner effektiven schadstoffbindenden Funktion
bekannt. So wurde zB der explodierte Atomreaktor in Tschernobyl mit
22.000 Tonnen Klinoptilolith-Zeolith eingesargt und strahlungssicher
gemacht.
Zeolith
in Arzneibuchqualität, geprüft in staatlich anerkannten (akkreditierten)
Prüflaboratorien, erhalten Sie bei uns als Zeolith MED® in
Dosen und Violettgläsern:
Zeolith
MED® Pulver Zeolith MED® Zahncreme
Zeolith
MED® Pulver ultrafrein Zeolith MEDR Hautcreme
Zeolith
MED® Kapseln Zeolith MED® Bodylotion
Zeolith
MED® Hautpuder Zeolith MED® Sonnencreme
Bentonit
- der sanfte Entgifter mit Gelschutzfilm
Dieses
ultrafreine Tonmineral aus Vulkanasche hat einen anderen Aufbau als Zeolith.
Seine Besonderheit ist ein gelartiger Schutzfilm, weshalb es als 'sanfter'
Entgifter gilt. Es eignet sich damit vor allem als Einstieg bei empfindsamen
Anwendern.
Bentonit
in Arzneibuchqualität, geprüft in staatlich anerkannten (akkreditierten)
Prüflaboratorien, erhalten Sie bei uns als Bentonit MED® in
Dosen und Violettgläsern:
Bentonit
MEDR Pulver
Bentonit
MEDR Kapseln
[...]
PULVER,
ULTRAFEINES PULVER ODER KAPSEL?
Vor
allem Zeolith wird in unterschiedlichen Korngrößen, zB als Pulver oder
ultrafeines Pulver, angeboten. Die ultrafeinen Pulver sind noch kleiner bzw.
feiner mikronisiert als Pulver. Dadurch haben die ultrafeinen Pulver eine noch
größere innere Oberfläche und können so mehr Schadstoffe binden und ausleiten,
wodurch gegenüber dem gröberen Pulver eine geringere Dosierung möglich ist. So
kann beispielsweise ein halber Teelöffel ultrafeines Pulver genau so effektiv
sein, wie ein leicht gehäufter Teelöffel Pulver. Ultrafeine Pulver sind ganz
ohne 'Sandkrümmel' und so fein, dass man das Gefühl hat, als ob sie sich
auflösen würden. Pulver bzw. ultrafeine Pulver können leicht im Wasser verrührt
werden.
Kapseln
sind gut zu dosieren und wegen ihrer einfachen und praktischen Anwendung die
idealen Begleiter für unterwegs, zB auf Reisen oder beim Sport. Jedoch öffnen
sich die Kapseln erst im mittleren Verdauungstrakt, wodurch auch erst ab diesem
Bereich die Wirkung des vorher verkapselten Minerals einsetzen kann.
Dosierungsbeispiele
Pulver und ultrafeines Pulver
Pulver
und ultrafeines Pulver können einfach in Wasser je nach Bedarf von breiig bis
dünnflüssig aufgeschlämmt werden. Beim Einrühren von Bentonit-Pulver in Wasser
ist die Verwendung eines Quirls, Rühr- oder Schneebesens sehr hilfreich. Bitte
keinen Staub einatmen!
[...]
Abstand
zu Mahlzeiten und Medikamenten
Natürliche
Nahrungsergänzungsmittel können problemlos mit den Vulkanmineralien kombiniert
werden. Bei Tieren können die Vulkanmineralien einfach mit ins Futter gemischt
werden.
[...]
RECHTLICHER
HINWEIS
Klinoptilolith-Zeolith
ist in der EU gemäß Verordnung Nr. 651/2013 als Zusatzstoff in
Futtermitteln für alle Tierarten zugelassen. Montmorillonit-Bentonit ist in der
EU derzeit als Arneihilfsstoff (Pharm. Eu.) sowie Futterzusatz zugelassen.
[...]
Für
eine persönliche Beratung stehe ich Ihnen gern auch telefonisch zur Verfügung.
Heilpraktikerin
M***** M*****
Telefon
[...]“
Die
Beklagte bewirbt Zeolith MED® Detox-Pulver
und Zeolith MED® Detox-Kapseln im Internet damit, diese könnten zur
„natürlichen Entgiftung“ eingesetzt werden, die Kunden erhielten
„Klinoptilolith-Zeolith in geprüft wirksamer Qualität gemäß den hohen
Qualitätskriterien des Europäischen bzw Deutschen Arzneibuches“ und das Mineral
sollte nur in der Form des von der Beklagten vertriebenen Klinoptilolith-Zeolith
„zur Entgiftung im gesundheitlichen Bereich“ eingesetzt werden. Zeolith MED®Detox-Kapseln
seien wegen ihrer einfachen und praktischen Anwendung ideal für die Anwendung
auf Reisen. Bentonit MED® Detox-Pulver und
Bentonit MED® Detox-Kapseln seien ebenfalls zur „Entgiftung“ einsetzbar,
jedoch im Vergleich zu Zeolith „sanfter“. Die Kapseln werden als „sanfte
Entgifter für unterwegs“ beworben. Die Beschreibung dieser Produkte (die nicht
auf der Startseite aufscheint) enthält den Hinweis auf die Zulassung von
Bentonit als pharmazeutischer Hilfsstoff sowie Zusatzstoff in Futtermitteln in
der Funktionsgruppe „Stoffe zur Verringerung der Kontamination von
Futtermitteln mit Mykotoxinen“ und für alle Tierarten in den Funktionsgruppen
„Bindemittel“, „Trennmittel“ und „Stoffe zur Beherrschung einer Kontamination
mit Radionukliden“ in der EU.
Die
Webseite der Beklagten enthält auch einen Link zu ihrer Facebookseite, die
ähnliche Werbung aufweist. Darüber hinaus beantwortet die Beklagte dort
Nutzeranfragen. Sie bestätigt etwa die Anwendbarkeit ihrer Zeolith/Bentonit
Produkte bei Hautsymptomen wie Ekzemen sowie - unter Hinweis auf die geprüfte
Arzneibuch-/Apothekenqualität - die Eignung für Mensch und Tier.
Das
österreichische Bundesministerium für Gesundheit und Frauen wies in einer
Aussendung vom 6. Mai 2004 unter anderem darauf hin, dass
Lebensmittel einschließlich Nahrungsergänzungsmittel, die Klinoptilolite
enthalten, im Hinblick auf ihre Novel-Food-Eigenschaften nicht verkehrsfähig
seien. Eine Zulassung der von der Beklagten vertriebenen Produkte Zeolith MED® Detox-Pulver,
Zeolith MED®Detox-Kapseln, Bentonit MED® Detox-Pulver
und Bentonit MED® Detox-Kapseln als Arzneimittel und/oder als Medizinprodukt
liegt nicht vor, ebensowenig für das Zeolith MED® Detox-Hautpuder
als Medizinprodukt.
Der Kläger beantragte, der Beklagten zu
verbieten, ihre Produkte mit dem Bestandteil Zeolith (Klinoptilolith) und/oder
Bentonit als Medizinprodukte anzubieten und zu vertreiben, wenn diese
tatsächlich nicht als Medizinprodukt zugelassen sind (Punkt 1a), sowie
diese Produkte mit krankheitsbezogenen Angaben, wie die Anwendbarkeit bei
Ekzemen oder Arthrosen (Punkt 1b), oder gesundheitsbezogenen Angaben, wie
„zur natürlichen Entgiftung, zur Entgiftung im gesundheitlichen Bereich und zur
Herabsetzung krankheitserregender Faktoren“ (Punkt 1c) sowie als „vegan,
laktosefrei und glutenfrei“ zu bewerben (Punkt 1d). Weiters begehrt er die
Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Sonntags-Ausgabe der „Neuen
Kronenzeitung“, hilfsweise in einem vom Gericht bestimmten Medium. Die Beklagte
biete ihre Produkte mit Zeolith (Klinoptilolith) und Bentonit im Internet unter
anderem mit der Aussage an, diese dienten zur „natürlichen Entgiftung“ und „zur
Entgiftung im gesundheitlichen Bereich“ und böten „optimale Verträglichkeit
beim Anwenden“. Besondere Bedeutung komme auch den Zusätzen „MED“, welcher auf
eine medizinische Anwendung hinweise, und „Detox“ zu, welcher auf eine
medizinische Einnahme zur Entgiftung hinweise. Die Beklagte suggeriere bei der
Bewerbung ihrer Produkte, es handle sich um zugelassene Medizinprodukte, was
irreführend im Sinn des UWG sei und gegen § 102
Abs 3 MPG verstoße. Sämtliche beanstandeten Produkte hätten
keine Zulassung als Medizinprodukt. Ohne Zulassung als Medizinprodukt oder als
Arzneimittel sei das In-Verkehr-Bringen von Produkten mit Zeolith zur Einnahme
aber verboten. Die Beklagte verstoße gegen näher genannte Bestimmungen des
Medizinprodukte-, Arzneimittel- und Lebensmittelrechts. Die Produkte der
Beklagten seien aufgrund verbotener Inhaltsstoffe nicht verkehrsfähig. Die
Beklagte lobe ihre Produkte als gesundheitsbezogen aus, die
Health-Claims-Verordnung erlaube aber gesundheitsbezogene Angaben für Zeolith
nicht. Diese Angaben seien daher verboten. Krankheitsbezogene Aussagen seien
auch beim In-Verkehr-Bringen von Lebensmitteln unzulässig.
Die Beklagte wendete ein, sie bewerbe oder
vertreibe die vom Kläger beanstandeten Produkte weder als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel
noch als Medizinprodukt oder als Arzneimittel. Sowohl im Beipacktext als auch
in der Werbung sei immer der Hinweis enthalten, bei Zeolith handle es sich um
einen Zusatzstoff in Futtermitteln für alle Tierarten. Nirgendwo sei der
Hinweis enthalten, es handle sich um ein Mittel zur Einnahme für Menschen. Da
die Beklagte das Produkt nicht als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat bewerbe
und es sich auch um kein Lebensmittel handle, sei die Novel-Food-Verordnung
nicht anwendbar. Das Lebensmittelrecht sei auf Medizinprodukte nicht anwendbar.
Klinoptilolith/Zeolith und Bentonit verfügten über die EU-Zulassung als
Bindemittel, Futterzusatz und Fließhilfsstoff, worüber die Beklagte
wahrheitsgemäß informiere. Sie täusche daher Verbraucher nicht. Da es sich bei
den Produkten der Beklagten nicht um Lebensmittel handle, seien allfällige
gesundheitsbezogene Angaben nicht nach der Health-Claims-Verordnung zu
beurteilen. Dies gelte auch für Naturkosmetikprodukte. Die Produkte der
Beklagten erweckten beim Anwender nicht den Eindruck, Medizinprodukte zu sein.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren
mit Ausnahme des auf Unterlassung der Bewerbung der Produkte mit Zeolith
und/oder Bentonit als „vegan, laktosefrei und glutenfrei“ gerichteten Begehrens
statt und verpflichtete die Beklagte, den stattgebenden Teil des Urteilsspruchs
auf ihrer Webseite für einen ununterbrochenen Zeitraum von 30 Tagen zu
veröffentlichen. Das Mehrbegehren auf Veröffentlichung in der „Neuen
Kronenzeitung“ wies es ab. Mit ihren Werbeaussagen erwecke die Beklagte beim
verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck therapeutischer Wirksamkeit
sowie heilender und gesundheitsfördernder Eigenschaften ihrer Produkte mit
Zeolith und Bentonit für Mensch und Tier. Damit entstehe der unrichtige
Eindruck, sie vertreibe Arzneimittel oder Medizinprodukte. Beides treffe nicht
zu.
Das Berufungsgericht wies das auf das Verbot
der Bewerbung als Medizinprodukt gerichtete Begehren ab und beschränkte das
weitere Unterlassungsgebot ausdrücklich auf die vom Kläger in seinem Begehren
bloß beispielsweise angeführten Produkte, bestätigte die erstgerichtliche
Veröffentlichungsverpflichtung und sprach aus, dass der Wert des
Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche
Revision im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls nicht
zulässig sei.
Die
Beklagte bewerbe ihre Produkte in einer Weise, dass der hier maßgebliche
durchschnittliche Verbraucher den Eindruck gewinne, diese Produkte seien zur
Linderung bestehender Krankheiten oder zum Schutz vor Krankheiten geeignet. Aus
den festgestellten Aussagen der Beklagten sei hingegen nicht zu entnehmen, dass
der Hauptwirkmechanismus ihrer Produkte durch physikalische Effekte erzielt
werde. Auch die vorgesehene Einnahme in Pulver- oder Kapselform spreche nach
dem Verständnis der angesprochenen Kreise nicht dafür, dass die Hauptwirkung
vorwiegend auf physikalischem Weg erreicht werde. Damit werbe die Beklagte aber
nicht mit dem Vorliegen eines Medizinprodukts, weshalb ein Verstoß gegen das
Medizinproduktegesetz ausscheide. Da die Beklagte ihre Produkte nicht als
Medizinprodukte bezeichnet und festgelegt habe und ein solches Verständnis der
angesprochenen Kreise aus den Werbebehauptungen auch nicht abzuleiten sei, sei
das darauf gerichtete Unterlassungsbegehren abzuweisen. Nach dem Verständnis
der angesprochenen Kreise werde suggeriert, es handle sich bei den Produkten
der Beklagten um Nahrungsergänzungsmittel iSd § 3 Z 4 LMSVG. Gemäß § 5 Abs 3 LMSVG sei
es verboten, beim In-Verkehr-Bringen oder in der Werbung einem Lebensmittel
Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen
Krankheit zuzuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen zu
lassen. Die Beklagte bewerbe ihre Nahrungsergänzungsmittel aber
krankheitsbezogen, wenn sie darauf verweise, dass „die Vulkanmineralien bei
Hautsymptomen ... angewendet werden können“ oder sie auf die Eignung bei
Arthrose für Mensch und Tier verweise. Dem Unterlassungsbegehren des Klägers
sei daher mit der Einschränkung stattzugeben gewesen, dass sich die
Unterlassungsverpflichtung auf die konkreten verfahrensgegenständlichen
Produkte beziehe und der Begriff der „Naturkosmetik“ entfalle, weil kosmetische
Mittel nicht unter den Lebensmittelbegriff des LMSVG fielen. Da
gesundheitsbezogene Angaben nur im Fall einer Zulassung erlaubt seien und eine
derartige Zulassung nicht bestehe, erweise sich das entsprechende
Unterlassungsbegehren des Klägers bezogen auf die konkret von der Beklagten
vertriebenen Produkte als berechtigt. Für eine Veröffentlichung in einer
Sonntags-Österreichausgabe der „Neuen Kronenzeitung“ zusätzlich zur
Veröffentlichung auf den Internetseiten der Beklagten bestehe kein Grund, weil
dem Unterlassungsgebot keine irreführenden Angaben in Printmedien oder
Postwurfsendungen oder dergleichen zugrunde lägen und die Art und die Zahl der
Medien, in denen die Veröffentlichung stattfinde, nicht im Missverhältnis zur
Publizität der rechtswidrigen Handlung stehen dürfe.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers,
mit dem er sein gesamtes ursprüngliches Klagebegehren weiter verfolgt, ist -
soweit sie sich auf das in erster Instanz rechtskräftig abgewiesene Begehren
bezieht - nicht zulässig, im Übrigen aber zur Klärung der Rechtslage zulässig
und auch teilweise berechtigt.
1. Schon
das Erstgericht wies das auf Unterlassung der Bewerbung von Produkten mit
Zeolith und/oder Bentonit als „vegan“, „laktosefrei“ und „glutenfrei“
gerichtete Begehren ab. Mangels Anfechtung durch den Kläger - er verfolgte mit
seiner Berufung lediglich das vom Erstgericht abgewiesene
Veröffentlichungsbegehren weiter - erwuchs dieser Teil des Ersturteils in
Rechtskraft. Wenn der Kläger dieses rechtskräftig abgewiesene Begehren
neuerlich in seinen Revisionsantrag aufnimmt, ist sein Rechtsmittel insoweit
unzulässig.
2.1. Medizinprodukte
iSd § 2 Abs 1 Z 1 MPG sind
alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen,
Software, Stoffe oder andere Gegenstände, einschließlich der vom Hersteller
speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten
und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten
Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen zur Erkennung,
Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten bestimmt sind
und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder
durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht
wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.
2.2. Auch
Medizinprodukte sind daher ihrer Definition nach auf die Heilung oder Linderung
von Krankheiten gerichtet. Allein daraus, dass einem solchen Produkt diese
Eigenschaften zugeschrieben werden, lässt sich daher noch nicht darauf
schließen, dass in Wahrheit ein (Präsentations-)Arzneimittel beworben wird (Wudy,
Vier Streitpunkte zum Arzneimittelbegriff in der aktuellen Rechtsprechung,
PharmR 2011, 156 [158]; v. Czettritz, PharmR 2010,
471 [Anm zu OVG Münster, 13A 156/06]; Zumwick, Der Gesetzesentwurf
des zweiten AMG-Änderungsgesetzes 2012, PharmR 2012, 184 [196]).
2.3. Ein
Medizinprodukt liegt nach § 2 Abs 1 MPG bereits
dann vor, wenn es für die dort genannten Zwecke vom Hersteller bestimmt ist und
die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch
pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird. Es
kommt also auf die dem Produkt objektiv zugeschriebene Wirkung (vgl 4 Ob 192/02t[Angaben in Werbefolder]),
aber auch auf die tatsächliche Wirkungsweise an (Anhalt/Sax in Anhalt/Dieners,
Medizinprodukterecht2 § 3 Rn 9).
3.1. § 1 Abs 1 AMG definiert
Arzneimittel als Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die (Z 1) zur
Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper und als Mittel mit
Eigenschaften zur Heilung oder zur Linderung oder zur Verhütung menschlicher
oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind, oder
(Z 2 lit a) im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet
oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die
physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder
metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.
3.2. Es
gibt daher zwei Gruppen von Arzneimitteln, nämlich jene, die wegen ihrer
tatsächlichen Funktion Arzneimittel sind, und solche, die so eine Funktion zwar
nicht haben, nach der Aufmachung des Produkts aber zu haben vorgeben
(Präsentationsarzneimittel; RIS-Justiz RS0126741). Für die Annahme eines
Arzneimittels genügt schon die subjektive Zweckbestimmung (RIS-Justiz RS0041450). Auch
Präsentationsarzneimittel sind grundsätzlich den Bestimmungen des AMG zur Gänze
unterworfen (zuletzt 4 Ob 117/16a mwN; RIS-Justiz RS0051393, RS0051388).
4.1. Medizinprodukte
gemäß § 2 Abs 1 MPG sind
gemäß § 1 Abs 3 Z 11 AMG keine
Arzneimittel. Erfüllt ein Produkt sowohl die Definition des Arzneimittels gemäß
§ 1 Abs 1 bis 3 AMG als auch die Definition eines in einem anderen
Bundesgesetz geregelten Produkts, so sind auf dieses Produkt ausschließlich die
Bestimmungen des AMG anzuwenden (§ 1 Abs 3a AMG; sog
„Vorrangregelung“). Dem entspricht die Regelung des § 4 Abs 1 Z 1 MPG,
wonach das MPG nicht für Arzneimittel gilt, wobei die Entscheidung darüber, ob
ein Produkt unter das AMG oder unter das MPG fällt, insbesondere aufgrund der
hauptsächlichen Wirkungsweise des Produkts erfolgt.
4.2. Ein
Produkt kann daher nicht zugleich Arzneimittel und Medizinprodukt sein (Müller in Kügl/Müller/Hofmann,
Arzneimittelgesetz2 § 2 Rn 220; Königshofer in Resch/Wallner,
Handbuch, Medizinrecht2 1140).
5.1. Der
Senat hat bereits ausgesprochen, dass aufgrund der rechtlichen Gleichstellung
von Funktions- und Präsentationsarzneimitteln der in § 1 Abs 3a AMG vorgesehene
Anwendungsvorrang auch für letztere gilt. Ein Lebensmittel für besondere
medizinische Zwecke oder ein Nahrungsergänzungsmittel, dem in seiner Aufmachung
heilende oder lindernde Wirkung zugeschrieben wird, ist daher ausschließlich
nach dem Arzneimittelrecht zu beurteilen (17 Ob 14/10y, relaxx.at; 4 Ob 76/15b, cranberrycomplex; 4 Ob 117/16h, Omnibiotik
MIGRAene).
5.2. Dass
es sich bei den Produkten der Beklagten nicht um Geräte handelt, schließt
zunächst das Vorliegen eines Medizinprodukts nicht aus, weil § 2 Abs 1 MPG auch
allgemein „Stoffe“ erfasst. Auch die Zuschreibung heilender oder lindernder
Wirkung ist für die Abgrenzung nicht maßgeblich. Zu prüfen ist, ob dem Produkt
der Beklagten eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung
zugeschrieben wird, ist doch für die Abgrenzung von Arzneimitteln zu
Medizinprodukten nach § 4 Abs 1 Z 1 MPG insbesondere
auf die hauptsächliche Wirkungsweise des Produkts abzustellen.
5.3. Nach
der Rechtsprechung des EuGH (C-308/11, Chemische Fabrik Kreussler &
Co GmbH, Rn 31 f) und des BGH (I ZR 90/08 =
PharmR 2010, 641; I ZR 166/08 = PharmR 2010, 638; I
ZR 204/09 = PharmR 2011, 299) liegt (der MEDDEV-Borderline-Leitlinie
der Europäischen Kommission zur Abgrenzung zwischen Medizinprodukten und
Arzneimitteln folgend) eine pharmakologische Wirkung dann vor, wenn irgendeine
Art von unmittelbarer oder mittelbarer Wechselwirkung zwischen den Molekülen
des in Frage stehenden Wirkstoffs und einem zellulären Bestandteil des
menschlichen Körpers erfolgt. Eine solche Wechselwirkung ist danach bereits
dann zu bejahen, wenn die Moleküle eine ohne sie gegebene Einwirkung anderer
Stoffe auf die Körperzellen verhindern (Anhalt/Sax in Anhalt/Dieners,
Medizinprodukterecht2 § 3 Rn 23).
5.4. Sowohl
nach den festgestellten Zuschreibungen der Beklagten als auch nach dem eigenen
Vorbringen des Klägers zu den tatsächlichen Wirkungsweisen der beanstandeten
Produkte der Beklagten sollen diese Schadstoffe im menschlichen Körper binden
und ausschwemmen und dadurch deren Einwirkung auf menschliche Zellen
verhindern. Es ist daher nicht von einer rein physikalischen oder mechanischen
Wirkung (vgl Hellbert, Handbuch Pharmarecht, 15) auszugehen.
5.5. Die
beanstandeten Produkte der Beklagten sind daher als Präsentationsarzneimittel
zu beurteilen. Damit scheidet die Anwendung der Regeln des MPG aus. Die
berufungsgerichtliche Abweisung des auf einen Verstoß gegen das MPG gerichteten
Unterlassungsbegehrens erfolgte daher zu Recht.
6. Anzumerken
bleibt, dass dem Berufungsgericht weder eine unterlaufene Aktenwidrigkeit noch
die Fällung einer Überraschungsentscheidung vorzuwerfen ist. Bereits in erster
Instanz stützte sich der Kläger auf die Vorrangregelung des § 1 Abs 3a AMG und
brachte vor, die beanstandeten Produkte seien (auch) nach dem AMG nicht
verkehrsfähig.
7.1. Das
Berufungsgericht hat allerdings das im Zusammenhang mit den beanstandeten
krankheits- und gesundheitsbezogenen Angaben erlassene Unterlassungsgebot zu
Unrecht eingeschränkt.
7.2. Abgesehen
davon, dass ein Verstoß gegen § 405
ZPO keine Nichtigkeit, sondern nur einen Verfahrensmangel
begründet (RIS-Justiz RS0041089, RS0041240), bildet das auf die tatsächlich
irreführend beworbenen Produkte eingeschränkte Unterlassungsgebot kein Aliud,
sondern lediglich ein Minus gegenüber den vom Kläger erhobenen Begehren (4 Ob 93/13z).
7.3. Das
Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang stets am konkreten Gesetzesverstoß
zu orientieren (RIS-Justiz RS0037645, RS0037478). Eine gewisse allgemeine
Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten ist aber meist schon
deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht
zu machen (RIS-Justiz RS0037607). Auch ist es praktisch
unmöglich, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RIS-Justiz RS0000845).
7.4. Der
Kläger wirft der Beklagten vor, den Stoffen Zeolith und Bentonit gesundheits-
oder krankheitsbezogene Wirkungen zuzuschreiben. Dementsprechend hat er auch
sein Unterlassungsbegehren formuliert. Die vom Berufungsgericht gewählte
Fassung, die das Verbot auf vier konkrete Produkte einschränkt, ist nach den
Grundsätzen der Rechtsprechung zu eng. Die Beklagte müsste die konkreten
Produkte nur umbenennen und könnte auf diese Weise das Verbot leicht umgehen.
Insoweit ist daher die (dem Klagebegehren folgende) erstgerichtliche
Unterlassungsverpflichtung wiederherzustellen.
8.1. Zu
Recht verfolgt der Kläger auch das von den Vorinstanzen abgewiesene Veröffentlichungsbegehren
weiter.
8.2. Nach
dem Talionsprinzip ist die Veröffentlichung zwar in der Regel in jener Form und
Aufmachung zu publizieren, in der auch die beanstandete Ankündigung
veröffentlicht worden ist (RIS-Justiz RS0079737 [T23], RS0079607), es können aber auch
besondere Gründe für eine weitergehende Veröffentlichung sprechen (RIS-Justiz RS0079607 [T2]; 4 Ob 107/15m). Suchen
voraussichtlich nicht alle ehemaligen Kunden eines Unternehmens, die ein
objektives Interesse an der Information über dessen bedenkliche
Geschäftspraktiken haben, neuerlich die Internetseiten dieses Unternehmens auf,
so ist ein Unterlassungsurteil im Regelfall nicht nur dort zu veröffentlichen (RIS-Justiz RS0123550).
8.3. Letzteres
trifft im vorliegenden Fall zu. Gerade bei gesundheitsbezogenen Eingriffen ist
das Aufklärungsbedürfnis besonders groß, die Veröffentlichung in der
Sonntags-Ausgabe der „Neue Kronenzeitung“ ist daher angemessen und dem Begehren
folgend auch zuzusprechen (vgl 4 Ob 76/15b, cranberry
complex). Eine halbseitige Urteilsveröffentlichung ist aber ausreichend.
9. Die
Kostenentscheidung gründet sich für das erstinstanzliche Verfahren auf § 43
Abs 1 ZPO; in Ansehung des Rechtsmittelverfahrens auf
§§ 43 Abs 1 und 2 sowie 50 ZPO. Der Erfolg des Klägers im
Revisionsverfahren beschränkt sich auf die schon vom Berufungsgericht zutreffend
als vernachlässigbar bewertete Modifikation des bereits in den Vorinstanzen
erreichten Unterlassungsgebots sowie die Erweiterung der
Veröffentlichungsermächtigung, was ohne Kostenfolgen bleibt.
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